Vorstellung eines «Laientheaters» an die Wand gespielt

Am Unterhaltungsabend des FC Balzers zeigt die Theatergruppe des FC Balzers ein Zusammenspiel, das in ihrer Spielfreude an die TaK-Eigenproduktionen der 80er-Jahre erinnert. Aufgeführt wurde die lustspielartige Krimikomödie „Mord on Backstage“ von Claudia Gysel.

 

Die Theatergruppe des FC Balzers zeigte mit ihrer Aufführung am vergangenen Dienstagabend, dass manches, das man schwarz-weiss sehen möchte, doch eher grau gesehen werden dürfte. Mit „Laientheater“ hatte das Dargebotene nur noch in verschwindend kleinen Ansätzen etwas zu tun. Dies ist Theater, wie man sich es wünscht. Theater, das dunkle Stellen der eigenen Perspektive beleuchten kann und Wege der selbstreflexiven Veränderung eröffnet.
Mit dieser Aufführung ist einer Theatergemeinschaft etwas gelungen, was man nicht erwarten konnte. Es ist ähnlich, wie wenn man bei einem Musikkonzert anstatt einer erwarteten Blasmusik ein symphonisches Blasorchester zu hören kriegt. Man traut seinen Ohren nicht, kommt ins Grübeln und hört und schaut genauer hin. Unweigerlich kommen die Fragen: Wer ist der Dirigent? Wer bläst (rücksichtslos) ins Horn? Auf der Bühne ist es Heini Feinstaub (Patrik Tschenett), der im Leben nicht wirklich was auf die Reihe kriegt – zumindest nach Meinung eines Teiles der Theatergruppe.

„Theater im Theater“

Auf der zweigeteilten Bühne sieht man linkerhand die eigentliche (Probe)Bühne, auf der der Theaterregisseur Heini mit seiner Theatergruppe eine Woche akribisch vor der Premiere arbeitet. Besessen von seinem Stück, das „ein Bombenerfolg“ werden müsse. Die Gruppe müht sich ab mit dem Stück, das sprachlich dem Dichterkönig Shakespeare nachempfunden ist. Die Sehnsucht der Theatergruppe nach einem einfacheren schnörkelloserem Stück wächst. Die Annäherung an die Regievorstellung war trotzdem fürstlich, gerade weil die Reflexion der Theatergruppe über ihr Spiel (auf der rechten Bühnenseite) sprachlich an das feinsinnige, bäuerliche Proletariat mit der entsprechend produktiven Kraft anschloss.

Autokrat mit Bauchnabelperspektive

Kein Platz findet ein anderes Theaterstück aus der Feder von Berta Brunhart (Karina Frick), das sie der Theatergruppe präsentiert, denn der Regisseur ist überzeugt vom alleinrichtigen Gehalt seines Weges, der über sein Stück führt. Geschickt verbindet ihre Rolle ein Verwirrspiel von Realität und Fiktion. Im 4. Akt muss sie die Rolle der Simone Gstöhl (Tatjana Nigg) übernehmen. Dieses Spiel der Ebenenwechsel zwischen Realität und Fiktion bahnt proteinartige Spuren der Intelligenz in die Gehirnwindungen der Darsteller und Zuhörer. Dies ist an der spielenden und hörenden Theatergesellschaft nicht spurlos vorbeigegangen, gerade unter der sprunghaften Regie von Heini. Herausragende, schnelle Dialoge, hinter denen man noch Sinn vermutete, lassen einem im nächsten Moment alleine mit der Satzhülle stehen, um schon wieder in die nächste Szene hineingerissen zu werden, sodass keine Zeit bleibt, sich seinen Rhythmus zu vergegenwärtigen und etwas auf Anhieb zu verstehen. Dies macht süchtig.

Festhalten an Sprachstruktur

Zum Glück bleibt hier die Sprachstruktur als Orientierung, in holprig-verschachteltem Hochdeutsch, das die Shakespearsche Form freilegt. Auch da reissen einem die Darsteller im Schatten des Regisseurs, allen voran Melanie Vogt (Anna Vogt) und Luca Büchel (Philipp Kindle), aus der Komfortzone gemütlichen Zuhörens.
Und auch gerade in der Figur der Cindy Löwenzahn (Svenja Frick), die durch das Möbelsponsorings ihres Vaters zu einer kleinen Nebenrolle (logische Aussicht auf tragende Rolle) kommt, schimmert die liechtensteinische Günstlingswirtschaft mahnmalartig durch. Man kann dies in einem e-Lichtenstein (exzellentes Liechtenstein) ansprechen, transparent machen, um die Machtlinien lösungsorientiert einzusetzen. Der Regisseur merkt in seiner Besessenheit noch nicht, wie dünn das Eis ist, auf dem er sich traumwandlerisch im rasenden Wechsel der Ebenen bewegt. Das Eis trägt ihn nicht, er bricht zusammen auf der Bühne, fast wie der Freund Romeos im Stück „Romeo und Julia“ – das soziale Netz reisst. Das Team bewahrt die Konzentration auf die Premiere. Der Regisseur bleibt im Spital ohne Besuch.

Theatergesellschaft unter Generalverdacht

Alle Darsteller geraten in Generalverdacht der versuchten Tötung des Regisseurs. Die Kommissarin Berta Brunhart lässt sich nicht beirren. Die Rolle der Gattin des Regisseurs im Hintergrund wird mit Fortgang der Untersuchungen, die die Theatergesellschaft unruhig macht, tragend in ihrer Vorliebe.
Dem Zuhörer wird das Verwirrspiel auf Anhieb kaum verständlich, dem Feierabend-Korrespondenten fällt der Stift zwischen die Ebenen von Realität, Fiktion und Potentiellem. Man mache sich den eigenen Reim auf das exzellent aufgeführte Stück. Offensichtlich ist nichts.
Ein grosses Lob an die Theatergruppe um die Regisseurin Patricia Zenhäusern, die auf die Bühne bringt, was man manch einem Theater-Haus der weiteren Region wünscht. Alois Büchel, der TaK-Regisseur der ersten Stunde, könnte seine Freude daran haben. Talente für ein exzellentes Liechtensteinisches Theater, das sich Mitte der 80er Jahre schon einmal in die oberste Theater-Liga spielte, würde man hier finden.
Es ist glasklar, dass hier „Amateure“ im besten Sinne des Wortes spielen. Sie spielen mit Liebe um ihr Leben, die manipulativen Kräfte des Systems begreiflich machend und Schlupflöcher des kreativen Eingreifens suchend. Es wird immer wieder zwischen Textpassagen, die das Privatleben mit seinen Eheproblemen, Streitigkeiten zeigen und deren Vermischung mit der harten Theaterprobenrealität auf der anderen Seite dargestellt. Schlussendlich ist es eine Frage der Identitätsbildung, aus welchen Teilen sich die Realität der Menschen mehr zusammensetzt. Es kann ein unglaublich böses Erwachen geben, wenn diese Zusammensetzung nicht auf den produktiv-kreativen Kräften beruht, sondern auf verwaltenden Ängsten, die zukünftige Wege verdecken.
Schlussendlich ermöglicht es einem dieses Stück zu sehen, wie negativ sich auch die immens schöpferische Kraft von Menschen in ihrem rücksichtslosen Tempo auf ihr Umfeld auswirken kann.
Die Aufführung, die von Christoph Foser in krankheitsbedingter Abwesenheit des Präsidenten Norbert Foser, angekündigt wurde, ermöglicht es, in seiner vielschichtig-vernetzten Form, Muster der kleinen Bühne für Liechtenstein im Grossen zu sein.
Es wird sehr stark auf Text gesetzt, rasante Dialoge jagen einander. Das Verwirrspiel der beiden Räume auf der Bühne macht es noch spannender. Es ist ein Stück, das sich lohnt, ein zweites und drittes Mal anzuschauen. Man wird stets neue Dinge entdecken, denn das Stück läuft auf mindestens vier Ebenen. Wer sich dieses Stück nochmals oder erstmals ansehen möchte, kann dies heute Donnerstag, den 28.12.17,  um 19 Uhr im Gemeindesaal in Balzers tun. Bei Theaterbestuhlung lohnt es sich, frühzeitig zu kommen und sich bei einem Apéro aufzuwärmen. Seien Sie rechtzeitig, um sich zu orientieren, denn das Stück reisst Sie mit seinen Ebenenwechseln von der ersten Sekunde an mit. Seien Sie vorgewarnt: Rechnen sie nicht mit dem Spiel-Rhythmus der 4. Liga. Lockern und dehnen Sie ihre Muskulatur für die Nationalliga A. Machen Sie im Barraum ein paar Sprints bevor sie den Saal betreten.

Des sparsamen Fantasiegebrauchs genug

In seiner Modellhaftigkeit ist es nicht allein ein Stück (für) Balzers. Es ist ein Stück „Liechtenstein and beyond“. Seien Sie mit Shakespeare gewappnet, kombiniert mit Monty Python und einer Prise Joyce,  um im Ernstfall immer noch der überspitzten Realität mit schallendem Gelächter den Boden unter den Füssen wegzuziehen. Das abgerundete Ganze ist eine Empfehlung für ein zukünftiges e-TaK, den Platz den es in Wirklichkeit nie gab. Vielleicht bräuchte es noch an ein zwei Stellen den einen oder anderen kleinen, aber exzellenten Hinweis. Weshalb sollte weisses Geld aus Stiftungen in Liechtenstein nicht weiterhin für ein allgemeinnützige Projekte eingesetzt werden: wie z.B. eine Theatergruppe für ihre Europatournee fit zu machen. Ein Jahr könnte, bezahlt durch Stiftungen und z.B. Tourismus Liechtenstein, für ein produktives Liechtensteinbild im Ausland (Mit Hiltikoffern, Fürstenhütchen und Neutriksteckern für die „Anschlussfähigkeit“ im Gepäck) sorgen. Genug des sparsamen Phantasiegebrauchs. Auf ins Neuland, durch breit abgestützte Liechtenstein-Produktionen.

Ein Muss für die Theaterfamilie

Für Freunde des Theaters ist diese Krimi-Komödie ein wirkliches Muss. Zumindest stellt sie einen der besten Gründe dar, eine andere Realität in einer exzelleten Ausformung zu erleben. Um dann als Mensch -systemtheoretisch betrachtet- im Transcode der offenen Begegnung aufzubrechen, der Brücken des Verständnisses ermöglicht zwischen abgeschotteten, autopoeitischen Denkbereichen. Immer höher zu gehen, um schlussendlich über eine Wahrheit wieder Boden unter den Füssen zu erlangen – liesse auch die Türe zur glücklichmachenden Bühne verschlossen. Aber gutnachbarschaftliche Türen gingen auf, vor allem mit dieser Leistung der Darsteller, die einen Keim des neuen Liechtensteins in sich tragen. Bleiben Sie nicht zu Hause, schon gar nicht draussen vor der Tür in der Kälte. (rö)

Liechtensteiner Vaterland
Mittwoch, 28. März 2018


Der Regisseur (Patrick Tschenett, rechts) drillt die Schauspielgruppe.  (Daniel Ospelt)