Chaos im Penthouse, Zoff im Altersheim

Claudia Gysel aus Wilchingen schreibt Theaterstücke für Laiengruppen.

VON ANDREAS MERZ
Wilchingen. Vor einem Jahr schrieb Claudia Gysel-Hefti ihre erste Komödie «Vo Rio uf Alaska». Seither hat sie sechs weitere Lustspiele für Laientheater geschrieben. Ihr Verlag hat ihr unterdessen geraten, ein Pseudonym zu verwenden: Ein derartiger Ausstoss an Stücken wirke sonst verdächtig. Unterdessen schreibt sie unter drei verschiedenen Namen.

Diesen Frühling – ausgerechnet am 1. April – wurde «Vo Rio uf Alaska» in Cham (ZG) uraufgeführt. Etwa 15 weitere Laiengruppen aus der ganzen Schweiz sind zurzeit daran, Stücke von Claudia Gysel einzustudieren. «Die Stücke sind nur so aus mir herausgesprudelt», sagt die 46-jährige Autorin, und man kann sich das gut vorstellen. Sie schreibt nicht nur im Schnellzugtempo, sie spricht auch so.

Stolz auf die Mutter

Etwa 14 Tage brauche sie, um ein Stück zu verfassen und zu überarbeiten, schätzt Claudia Gysel: «Wenn ich etwas anfange, dann muss es sofort fertig sein.» Kein Wunder, ist der Ausstoss beträchtlich. «Au nein», hätten ihre zwei Kinder jeweils gejammert, «jetzt schreibst du schon wieder Theater!» Unterdessen sind sie stolz auf ihre Mutter. Zusammen mit einer Gruppe Wilchinger Theaterfans pilgerte die ganze Familie an die Uraufführung von «Vo Rio uf Alaska» in Cham.

Aufgewachsen ist Claudia Gysel im Kanton Thurgau, beruflich war sie im kaufmännischen Bereich tätig. 1984 lernte sie ihren Mann kennen, heiratete und zog nach Wilchingen. Die Kinder der beiden sind 12 und 14 Jahre alt. Der Anstoss zu Claudia Gysels Karriere als Schriftstellerin kam von der «Wilchinger Theaterchischte», wo sie seit fünf Jahren als Laienschauspielerin mitspielt, meist in der Rolle des «giftigen Weibs». «Ich würde eigentlich gern auch etwas anderes spielen», meint sie etwas resigniert, aber das Publikum möge sie eben in dieser Rolle. Letztes Jahr führte die Theatergruppe einen – in Claudia Gysels Augen eher mittelmässigen – Bauernschwank auf. «Wenn das gut ist, dann kann ich es auch», sagte sie sich und setzte sich an den Computer.
Die Prophetin gilt bekanntlich wenig im eigenen Land. In Wilchingen stiessen ihre ersten Lustspielversuche auf unfruchtbaren Boden. Sie sei schon etwas frustriert gewesen, meint Claudia Gysel, aber entmutigen liess sie sich nicht. Sie verfasste weitere Stücke und schickte sie dem Breuninger-Verlag in Aarau. Nach sechs Wochen kam die Zusage, ein paar Monate später wurde «Vo Rio uf Alaska» aufgeführt. In unserer Region ist bisher noch keines ihrer Werke auf die Bühne gekommen.

Wettbewerb in Österreich

Der Breuninger-Verlag hat sich auf Stücke fürs Volkstheater spezialisiert. Ein Laientheater bestellt aus einem Sortiment von mehreren hundert Stücken einige zur Ansicht, um sie durchzulesen und zu begutachten. Gegen eine Aufführungsgebühr darf das gewählte Stück produziert und auf die Bühne gebracht werden. Die Autoren werden entweder vom Verlag pauschal bezahlt, oder sie erhalten fünf Prozent der Einnahmen. Die anderen fünf Prozent gehen an den Verlag.

Zurzeit besucht die Autorin möglichst viele Aufführungen ihrer Stücke: «Wenn man sein Werk auf der Bühne sieht, findet man plötzlich Fehler, die man vorher übersehen hat.» Beim Schreiben geht sie heute geplanter vor als bei ihren ersten Texten. Und die Zukunft? Zwei neue Stücke harren zurzeit noch der Publikation. Und schliesslich bereitet sich Claudia Gysel auf den Schreibwettbewerb der Südtiroler Theaterzeitung vor.